"Sicherheit am Bau" macht der SiGeKo - oder?

Ja, der SiGeKo ist für die Sicherheit am Bau verantwortlich. Allerdings ist er nicht allein, sondern bekommt noch weitere Verantwortliche an seine Seite gestellt, deren Aufgabe es ist, die Baustelle sicher zu machen. Denn noch immer kommt es zu zahlreichen Unfällen auf deutschen Baustellen. Im Jahr 2021 haben insgesamt 85 Beschäftigte infolge eines Arbeitsunfalls ihr Leben verloren. Lärmschwerhörigkeit war 2021 die häufigste gemeldete Berufskrankheit. Diese Zahlen sind der Pressemitteilung der BG Bau vom 17.5.2022 entnommen. Wer die Verantwortlichen sind und in welchem Ausmaß sie haften, soll unter anderem der heutige Praxistipp vermitteln.

Betrachten wir die für die Sicherheit auf der Baustelle Verantwortlichen, ist zuvorderst derjenige zu nennen, der sich gemeinhin gar nicht so sehr dafür verantwortlich fühlt:

Der Bauherr

Nach § 52 MBO (Musterbauordnung) ist dieser neben den anderen am Bau Beteiligten dafür verantwortlich, dass die geltenden Vorschriften ein-gehalten werden. Insofern hat es das OLG Düsseldorf 2017 (Aktenzeichen I-21 U 223/14) auf den Punkt gebracht, indem es urteilte, dass die Verkehrssicherungspflicht zunächst grundsätzlich den Bauherrn selbst trifft, da er Veranlasser der Baumaßnahmen ist und damit auch die Gefahrenquellen geschaffen hat. Solcherlei Verkehrssicherungspflichten bestehen sowohl auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Vorschriften als auch zivilrechtlich.

Die öffentlich-rechtlichen Pflichten ergeben sich in erster Linie aus der jeweiligen Landesbauordnung. Diese haben die Standsicherheit, den Lärm-, Wärme- und Schallschutz, den Brandschutz, sowie den Schutz vor schädlichen Einflüssen zum Gegenstand und heben die Verkehrssicherheit und eine ordnungsgemäße Baustelleneinrichtung hervor.

Da der Bauherr dies in den wenigsten Fällen allein umsetzen kann, bedient er sich in der Regel der Hilfe eines kompetenten Planungsbüros, welches im Rahmen der Planung die öffentlich-rechtlichen Vorgaben berücksichtigen wird.

Architekt/Ingenieur

Vom Objekt selbst darf keine Gefahr bei dessen Benutzung ausgehen. Die vorgenannten Grundsätze kommen demnach auch hier zum Tragen. Weitere Relevanz gewinnt die Sicherheit am Bau natürlich im Rahmen der Bauausführung, wenn sich das Planungsbüro in der Leistungsphase 8 befindet. In der Architektur ist geschuldet die Überwachung der Ausführung auf Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften sowie mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Vor allem, wenn dem Objektüberwacher Sicher-heitsmängel auffallen, muss er aktiv werden. Das kann eine offensichtliche Absturzkante sein oder ein nicht montiertes Auffangnetz. Rechtlich handelt es sich auch hier um Verkehrssicherungspflichten, die zu einer eigenständigen Haftung führen können, wenn zumutbare Vorkehrungen nicht getroffen werden.

Bauleiter nach LBO

Um die Verkehrsteilnehmer und das öffentliche Interesse an einer sicheren Bauausführung zu schützen, bedarf es noch des Bauleiters nach LBO, welcher als verlängerter Arm der Bauaufsicht darüber wacht, dass die öffentlich-rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Diese Aufgabe kann zugleich vom Objektüberwacher übernommen werden, wobei klar sein muss, dass es hier zu Interessenkonflikten kommen kann, die regelmäßig dahingehend zu lösen sind, dass der Tätigkeit als Bauleiter nach LBO der Vorzug zu gewähren ist.

Auftragnehmer

Bei der Ausführung der einzelnen Bauleistungen trifft den Unternehmer selbst, vor allem für seine angestellten Arbeitnehmer die Pflicht, für deren Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen. Rechtsgrund-lage ist das Arbeitsschutzgesetz. Danach sind bei einer sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergebenden Gefahrenlage Maßnahmen nach dem S-T-O-P-Prinzip zu ergreifen. Zuerst ist zu prüfen, ob die Gefahrenlage nicht abgeschafft (substituiert) werden kann. Beispielsweise, indem benötigte Teile fertig zugesägt auf die Baustelle geliefert werden. Dies würde die mit dem Sägen verbunde-nen Gefahren gänzlich eliminieren. Ist das nicht möglich, sollen technische Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, wie das Anschaffen sicherer Sägen mit Eingriffsschutz. Bieten die Geräte und Maschinen schon den höchsten Schutz, wären organisatorische Maßnahmen in Erwägung zu zie-hen, die den Arbeitnehmer möglichst weit weg von der Säge positionieren oder bei besonders lauten Maschinen die Arbeitszeit möglichst kurz halten. Erst zuletzt soll persönliche Schutzausrüs-tung eingesetzt werden, was in der Praxis leider genau andersherum gehandhabt wird. Gehör-schutz und Handschuhe sind eben günstiger als eine neue Maschine…

Sicherheits-& Gesundheitsschutzkoordinator

Werden auf einer Baustelle Arbeitnehmer mehre-rer Unternehmen gleichzeitig tätig, ist vom Bau-herrn nach der Baustellenverordnung ein SiGeKo zu bestellen. Dieser hat – wie der Name schon sagt – im Wesentlichen eine Koordinationsaufgabe. Und zwar schon während der Planung. Koordination heißt, dass den am Bau Beteiligten die für die Sicherheit erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, bspw. durch Aushänge, allen voran im SiGe-Plan, aber auch Hinweise, wo sich Erste-Hilfe-Einrichtungen finden, welche Sicherheitseinrichtungen es gibt und welche Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen und einzuhalten sind. Der SiGeKo erstellt auch eine Unterlage für spätere am Objekt auszuführende Arbeiten, bspw. Reinigungsarbeiten in großer Höhe oder in unterirdischen Tanks, Wartungsarbeiten usw. Hierfür müssen die notwendigen Sicherheitsein-richtungen ja am Bauwerk vorhanden, sprich geplant und gebaut werden. Daher muss der SiGe-Ko’s schon während der Planungsphase bestellt werden.

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Haftung

Kommen bei der Ausführung eines Vorhabens Menschen zu Schaden, stehen zivilrechtliche Haftungsansprüche, aber auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Raum. Hierfür genügt es gem. § 319 StGB – Baugefährdung – bereits, wenn bei der Planung, Leitung oder Ausführung (auch Abbruch) gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstoßen wird und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet werden. Es drohen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
 
Empfehlung:
Bevor es so weit kommt, fühlen Sie sich besser verantwortlich und werden durch Weisungen; Hinweise oder Information aktiv. Sicherheit am Bau geht alle Beteiligten an. Bestimmt möchte jede/r nach getaner Arbeit wohlbehalten den Feierabend genießen.

Wiesbaden, 21.07.2022

Nancy Brandt
Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Bau- und Architektenrecht
Absolventin des Zertifikats-Lehrgangs Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator gemäß RAB 30
Referentin der Bauakademie Dr. Koch GmbH und bei Inhouse-Seminaren

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