Praxis Tipp: Rechtssprechungsupdates II

Aktuelle Entscheidungen zur Haftung bei unerlaubter Rechtsberatung, der Versendung von Mängelrügen über Whatsapp sowie dem drohenden Verlust des Deckungsschutzes der Haftpflichtversicherung bei Verletzung elementarer Berufspflichten.
Auch im Jahr 2024 hat die Rechtsprechung bereits für einige Aufmerksamkeit gesorgt und mehrere interessante Entscheidungen hervorgebracht. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen einen Überblick über lesenswerte Urteile und Entwicklungen im Architektenrecht geben. Wir stellen Ihnen eine Auswahl von spannenden Fällen vor und geben Ihnen einen Einblick in die aktuelle Rechtsprechung.

Begriff der „Auftragssumme“: Angebotsoder Schlussrechnungsumme? Unwirksamkeit der Vertragsstrafe!

Das OLG Hamm (Urteil vom 05.07.2024, Az. 12 U 95/22) hatte sich mit dem Begriff der „Auftragssumme“ in einer Vertragsstrafenregelung zu beschäftigen, mit erheblichen Auswirkungen auf die Realisierbarkeit der Vertragsstrafe
Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde?
In dem von den Parteien geschlossenen VOB/BEinheitspreisvertrag fand sich die folgende Klausel wieder: „Geraten Sie mit der Fertigstellung Ihrer Leistungen in Verzug, so sind Sie verpflichtet, uns für jeden Werktag des Verzugs eine Vertragsstrafe i.H.V. 0,2% der Nettoauftragssumme zu zahlen, höchstens jedoch 5 Prozent der Nettoauftragssumme.“ Wie so häufig: Die Fertigstellung des Bauvorhabens verzögert sich und der Bauherr zieht die Vertragsstrafe. Der Bauunternehmer wehrt sich hiergegen unter anderem mit der Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Das OLG Hamm folgt der Argumentation des Unternehmers und verweist auf das Urteil des BGH vom 15.02.2024, wonach eine Vertragsstrafe von maximal „insgesamt 5 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftrags-summe (ohne Umsatzsteuer) unwirksam sei". Hierdurch drohe bei einer Reduzierung des Auftragsvolumenes im Rahmen der Ausführung die Gefahr, dass die Maximalgrenze von 5 Prozent überschritten wird. Es sei nämlich unklar, wie der Begriff der Auftragssumme zu deuten ist. Hier könne einerseits die nach der Abwicklung des Vertrags geschuldete Vergütung – also die Schlussrechnungssumme – zu verstehen sein, andererseits aber der Wert, der sich nach der von den Parteien vor der Ausführung vereinbarten Vergütung bemisst. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall wurde hier aber nicht ausdrücklich auf das Auftragsschreiben zur Bestimmung der Auftragssumme Bezug genommen. Die hier verwendete Klausel ist unwirksam, weil die dargestellte Unklarheit dazu führt, dass die Rechte und Pflichten der Beklagten in der Klausel nicht so klar und präzise wie nötig umschrieben sind. Die Unklarheit von AGBKlauseln geht zu Lasten des Verwenders, der sie eindeutig hätte formulieren können. Hieraus folgt, dass die „Auftragssumme“ hier als Angebotssumme auszulegen und die Vertragsstrafenregelung im vorliegenden Fall unwirksam sei.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil des OLG Hamm dürfte die Unwirksamkeit von weiteren Vertragsstrafenklauseln zur Folge haben. Ergibt sich aus dem Vertrag nicht eindeutig, dass mit der „Auftragssumme“ die Schlussrechnungssume gemeint ist, dürfte eine Vertragsstrafe aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel nicht durchzusetzen sein. Für die zukünftige Vertragsgestaltung gilt, dass Vertragsstrafenklauseln unmissverständlich auf die Abrech-nungssumme oder Schlussrechungssumme als Bezugsgröße abstellen sollten.

Architektenvertrag = Fernabsatzvertrag? Widerrufsbelehrung nicht vergessen!

Das LG Frankfurt (Urteil vom 02.04.2024, Az. 2-31 O 78/23) hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen ein Architektenvertrag als Fernabsatzvertrag zu klassifizieren ist. Je nach Einstufung kommt eine Obliegenheit des Architekten in Betracht, den Verbraucher über sein Widerufsrecht zu belehren. Dankenswerterweise gibt das LG Frankfurt den Architekten auch eine Möglichkeit an die Hand, um in Zukunft die Einstufung des Vertrags als Fernabsatzvertrag zu vermeiden.
Worum ging es?
Ein Ehepaar war auf der Suche nach einer baulichen Begleitung für die Renovierung und Sanierung ihres Anwesens. Zu diesem Zweck traten Sie an den Architekten heran. Nach ausführlichem E-Mailverkehr und Videocalls legte der Architekt ein erstes Angebot über die Erstellung von Bestandsplänen und einen ersten Entwurf zum Preis von EUR 4.460,- vor. Dieses Angebot nahm das Ehepaar an. Die bisherige Kommunikation erfolgte ausschließlich per E-Mail, Telefon und Videokonferenz. Eine Belehrung des Ehepaars über ihr Widerrufsrecht erfolgte durch den Architekten nicht. Nach Erstellung der Planunterlagen und Übermittlung an das Ehepaar bezahlte das Ehepaar den vereinbarten Preis. In der Folge arbeiteten die Parteien weiter rege am gemeinsamen Projekt, wobei der Architekt auch mehrfach konkrete Wünsche und Vorstellungen des Ehepaars hinsichtlich des geplanten Umbaus wie auch zahlreiche Änderungswünsche einarbeitete. Weiter kontaktierte der Architekt auch Handwerker, Statiker und Energieberater, ohne die weiteren Leistungen dem Ehepaar in Rechnung zu stellen. Als der Architekt die weitere Zusammenarbeit für die weiteren Leistungen am Projekt vom Abschluss einer Honorarvereinbarung nach HOAI abhängig machte, widerrief das Ehepaar den geschlossenen Vertrag und forderte die bereits gezahlte Vergütung zurück. Nachdem der Architekt dies verweigerte, erhob das Ehepaar Klage vor dem Landgericht Frankfurt auf Rückzahlung.
Die Entscheidung des LG Frankfurt
Das LG Frankfurt gibt dem Ehepaar recht und verurteilt den Architekten zur Rückzahlung der bereits geleisteten Vergütung. Der Widerruf der Eheleute sei wirksam gewesen, denn der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei als Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c Abs. 1 BGB zu qualifizieren, da die Parteien für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet haben. Dass es nach dem Vertragsschluss Kontakt in Form gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit gegeben habe, sei für die Einordnung als Fernabsatzvertrag irrelevant. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ergäbe sich daraus, dass er die Ware oder Dienstleistung vor Vertragsschluss nicht sehen und prüfen kann. Dies rechtfertige die Einräumung eines Widerrufsrechts. Diese „Unsichtbarkeit des Vertragspartner und des Produkts“ und somit die Schutzbedürftigkeit der Eheleute als Verbraucher könne durch die ausschließliche Benutzung von Fernkommunikationsmitteln auch nicht beseitigt werden. Mangels Widerrufsbelehrung sei der Vertrag auch noch fristgemäß widerrufen worden. Der Architekt bekam auch keinen Wertersatz für seine erbrachten Dienstleistungen zugesprochen. Gemäß § 357a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3 BGB scheide eine Wertersatzpflicht infolge mangelnder Zustimmung/Information aus, da § 357e BGB nicht für den Planervertrag gelte. Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche des Architekten seien nach § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Letztlich ging der Architekt trotz der erbrachten Leistungen also leer aus.
Praxishinweis
Die Konstellation, dass es vor dem Vertragsschluss zwischen Architekt und Bauherr keinen persönlichen Kontakt gibt, mag selten sein, gerade weil in der Regel zunächst ein Ortstermin durchgeführt wird. Sollten Sie dennoch in Zukunft ein Projekt akquirieren, in dem mit einem als Verbraucher einzustufenden Bauherrn vor dem Vertragsschluss ausschließlich über Fernkommunikationsmittel kommuniziert wird, sollten Sie unbedingt auf das Widerrufsrecht hinweisen. Alternativ stellt das Gericht eine weiteren gangbaren Weg in den Raum: So sei es dem Architekten auch möglich gewesen, die Eheleute unmittelbar während (eines allein durchgeführten) Ortstermin zu kontaktieren oder Lichtbilder von dem Anwesen zu fertigen und basierend hierauf ein virtuelles Gespräch durchzuführen, damit unter Beachtung des Schutzinteresse der Eheleute als Verbraucher ein gemeinsamer „Ortstermin“ vor Vertragsschluss vorliegt. Ob diese Vorgehensweise aber genügt, um den „Vertragspartner und das Produkt hinreichend sichtbar zu machen“ ist u. E. mehr als zweifelhaft. Um auf der sicheren Seite zu sein und am Ende nicht mit leeren Hände für viel geleistete Arbeit dazustehen, empfehlen wir für die gegenständliche Situation auf das Widerrufsrecht hinzuweisen.

Wiesbaden, 16. September 2024

Tobias Borschel

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Ständiger Referent für die Bauakademie Dr. Koch GmbHund bei Inhouse-Seminaren

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