Praxis Tipp: Rechtsprechungsupdates III
Durchatmen auf Bauherrenseiten nach Entscheidung des BGH zur Bauzeitanordnung durch Übergabe angepasster Bauablaufpläne! Und das OLG Schleswig spricht vollen Vergütungsanspruch für eine Leistungsphase trotz nicht erbrachter Teilleistungen zu.Auch im Jahr 2024 hat die Rechtsprechung bereits für einige Aufmerksamkeit gesorgt und mehrere interes-sante Entscheidungen hervorgebracht. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen einen Überblick über lesenswer-te Urteile und Entwicklungen im Bau- und Architektenrecht geben. Wir stellen Ihnen eine Auswahl von span-nenden Fällen vor und geben Ihnen einen Einblick in die aktuelle Rechtsprechung.
Keine Bauzeitanordnung durch Übergabe angepasster Bauablaufpläne
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.09.2024, Az. VII ZR 10/24) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob auch die Übermittlung von Bauaublaufplänen eine Anordnung des AG im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B darstellen könne, wenn hiermit lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrages reagiert wird.
Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde?
Beim Bau einer Starkstromanlage kam es aufseiten des Auftraggebers zu Verzögerungen. Der ursprüngliche Ausführungszeitraum wurde für den 19.06.2018 bis zum 10.01.2019 festgelegt. Nachdem es zu Bauablaufstörungen gekommen war und der AN diese dem AG angezeigt hatte, übergibt der AG dem AN die an den tatsächlichen Bauablauf angepassten Bauablaufpläne. Der AN stellt seine Leistungen erst Ende 2019 fertig. In seiner Schlussrechnung verlangt der AN Mehrkosten in Höhe von rund EUR 57.000,- für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne. Der AN argumentiert damit, dass ihm ein Mehrvergütungsanspruch wegen Verlängerung der Bauzeit nach § 2 Abs. 5 VOB/B zusteht. Hiernach besteht ein Anspruch auf Preisanpassung unter Berücksichtigung von Mehrkosten, falls sich aufgrund von „Anordnungen“ des AG die Grundlagen der Kalkulation ändern. Eine solche Anordnung habe der AG durch die Übermittlung der Bauablaufpläne getroffen. Der AG teilt diese Auffassung nicht und weist die Ansprüche des AN zurück, woraufhin der AN diese gerichtlich geltend macht. Die Klage und Berufung hat in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg, woraufhin die Sache beim BGH landet.
Die Entscheidung
Auch in der Revision hat der AN keinen Erfolg! Bei der VOB/B handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 133, 157 BGB auszulegen seien. Dabei müssten Fälle von Mehrkosten aufgrund von Anweisungen des AG von solchen abgegrenzt werden, die durch andere Vertragsstörungen entstanden sind. Eine „Anordnung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordere eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers zur einseitigen Änderung von Vertragspflichten. Eine solche liege bei der Übermittlung von Bauablaufplänen nicht vor. Denn der Auftraggeber reagiere damit nur auf die ohnehin entstandene Verzögerung der Bauarbeiten.
Bedeutung für die Praxis
Aufatmen auf Seiten der Bauherren! Die Korrektur und Überarbeitung von Bauablaufplänen ist gängige Praxis. Hätte der BGH hierin nun eine Anordnung zur Bauzeit im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B gesehen, hätte dies ganz erhebliche Auswirkung auf die Erfolgsaussichten von Bauzeit-Claims zugunsten der bauausführenden Unternehmer. Dem hat der BGH aber eine Absage erteilt. Mehrvergütungsansprüche in ähnlich gelagerten Fällen sind daher weiter über den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB und den Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B zu lösen. Dies stellt den Unternehmer aufgrund der hohen Anforderungen der Rechtsprechung an die Darlegung der Ansprüche regelmäßig vor nur schwer zu bewältigenden Herausforderungen.
OLG Schleswig spricht Planer vollen Vergütungsanspruch für nicht vollständig erbrachte Leistungsphasen zu!
Das OLG Schleswig (Urteil vom 17.07.2024, Az. 12 U 149/20) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die volle Vergütung für eine Leistungsphase auch dann geschuldet sein kann, wenn nicht alle Teil-leistungen der jeweiligen Leistungsphase erbracht wurden.
Worum ging es?
Der Bauherr beauftragte den Planer zunächst mit der Erstellung eines Instandsetzungskonzeptes sowie anschließend mit der Durchführung der wieteren Architektenleistungen der Leistungs-phasen 5 – 8. Infolge von seitens des Bauherrn behaupteten Mängeln kommt es zwischen den Parteien zum Streit, sodass der Bauherr schließlich die Kündigung erklärt. Der Planer hält diese mangels Kündigungsgrund für ungerechtfertigt und macht den vollen Vergütungsanspruch abzüg-lich ersparter Aufwendungen und anderweitigem Erwerb geltend. Nachdem der Bauherr die geforderten Vergütungsansprüche mit der Be-gründung zurückwies, dass es sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund handele, erhob der Planer Klage. Nachdem diese in der ersten Instanz weitestgehend erfolglos blieb, wendet nun der Bauherr in der vom Planer eingelegten Be-rufung zudem ein, dass der Planer nicht alle vereinbarten Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 8 erbracht hat.
Die Entscheidung des OLG Schleswig
Das Gericht gibt dem Planer weitestgehend Recht und folgt insbesondere nicht dem Einwand des Bauherrn, dass ein Vergütungsanspruch aus-scheidet, weil der Planer nicht alle vereinbarten Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 8 erbracht hat. In prozessualer Hinsicht weist das Gericht darauf hin, dass der Planer in erster Instanz substantiiert zu den erbrachten Leistungen vor-getragen habe, dem der Bauherr aber nicht aus-reichend entgegengetreten sei, was die pro-zessuale Konsequenz habe, dass der Vortrag des Planers zu den erbrachten Leistungen als fest-stehend behandelt werden müsse. Der spätere Vortrag des Bauherrn zu der Nichterbringung der vollständigen Leistungsphasen sei in der Beru-fungsinstanz nicht mehr zu berücksichtigen.
Einleitend führt das Gericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24.06.2004, Az. VII ZR 259/02) aus, dass die Vergütung
grundsätzlich durch Auslegung des Architekten-vertrages unter Berücksichtigung aller Umstände zu klären sei, da die HOAI keine Regelung zu nicht oder nur unvollständig erbrachten Teilleistungen enthält. Der Umfang der Honorarminderung werde vom BGH offen gelassen; die richterliche Schätzung erfolgt oft mit Tabelle.
Aus dem hier geschlossenen Vertrag ergebe sich klar, dass die Vergütung auf Grundlage der Leistungsphasen gem. § 34 Abs. 2 HOAI 2013 geschuldet war. Hierbei sei dann zu berück-sichtigen, dass letztlich die Leistungsphase nach dem gesetzlichen Leitbild die kleinste Abrech-nungseinheit sei. Da nicht alle Leistungen einer Leistungsphase für ein funktionstaugliches Werk immer erbracht werden müssen, kann die volle Vergütung für eine Leistungsphase auch dann geschuldet sein, wenn nicht alle „Teilleistungen“, die einer Leistungsphase zuzuordnen sind, erbracht werden, weil der Werkerfolg sich nicht an den Teilleistungen der Leistungsphase, sondern am Werkerfolg der Erbringung der Leistungsphase orientiert. Eine Minderung des Honoras kann insofern nur vorgenommen werden, wenn ein selbstständiger Arbeitserfolg nicht erbracht wird. Im konkreten Fall kam das OLG nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um ein Instandsetzungskonzept mit über-schaubarer Komplexität gehandelt habe, so dass auch die Planungsleistungen in der erbrachten Weise ausreichend für die Ausführung durch den Unternehmer gewesen seien, mithin der Erfolg erreicht worden sei.
Zusammenfassend stellt es in seinen Leitsätzen fest:
- Die volle Vergütung für eine Leistungsphase kann auch dann geschuldet sein, wenn nicht alle Teilleistungen der jeweiligen Leistungs-phase erbracht wurden. Denn ein funktions-taugliches, zweckentsprechendes Werk setzt nicht zwingend die Erbringung der Teil-leistungen voraus.
- Eine Honorarminderung kommt nur in Be-tracht, wenn ein selbstständiger Arbeitserfolg nicht erbracht wird und der Tatbestand einer Regelung des allgemeinen Leistungsstörungs-rechts oder des werkvertraglichen Gewährleis-tungsrechts erfüllt ist.
Praxishinweis
Das Urteil ist aufgrund des komplizierten prozessualen Hintergrunds mit Vorsicht zu genießen. Das Gericht stellt zwar grundsätzlich fest, dass die volle Vergütung für eine Leistungs-phase auch dann geschuldet sein kann, wenn nicht alle Teilleistungen der jeweiligen Leistungs-phase erbracht worden sind, aber dennoch ein funktionstaugliches, zweckentsprechendes Gewerk entsteht. Im konkreten Fall spricht dies das Gericht auch zu, wobei es in prozessualer Hinsicht aber nicht mehr die Einwendungen des Bauherrn zu den erbrach-ten Leistungen berücksichtigen durfte. Vor einer Verallgemeinerung der Leitsätze kann daher nur gewarnt werden.
Wiesbaden, 2. Dezember 2024
Tobias Borschel
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Ständiger Referent für die Bauakademie Dr. Koch GmbHund bei Inhouse-Seminaren